Rhodesian Ridgeback


 
   

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Der Rhodesian Ridgeback


Ein Rasseportrait mit einer selten gefundenen Ehrlichkeit und Akribie, ohne jegliche rosarote Fan-Brille. Spannend geschrieben - auch über Grundsätzliches von Hunderassen, über Wesenseigenschaften, die oft als rassetypisch angegeben werden, sich in Wahrheit aber gegenseitig ausschließen. Was Menschen von einem Hund erwarten können. Dies und mehr in einem exzellenten Artikel von Dr. rer. nat. Ute Blaschke-Berthold.


In machnen Gegenden des deutschsprachigen Raumes gehört der Rhodesian Ridgeback - im Folgenden auch RR genannt -  schon fast zum alltäglichen Straßenbild, und so mancher hundefreundliche Passant weiß den auffallenden Hund einzuordnen. Nach einem kurzen Blick auf den Rücken folgt unweigerlich der Kommentar: "Ach, das ist doch einer von diesen afrikanischen Hunden!"
Die Zeiten der Exklusivität sind allerdings vorbei, der ehemalige "Rolls Royce unter den Hunden" hat - um bei diesem Bild zu bleiben - die Rolle eines soliden Mittelklassewagens bekommen. Es ist heute auch nicht mehr schwer, Informationen über diese Hunderasse zu erhalten: Mehrere Rassemonografien in Buchform, Videos, zahlreiche Beiträge in Hundezeitschriften, mehrere Zuchtvereine innerhalb und außerhalb der FCI und vor allem Hunderte von Seiten im Internet versorgen den interessierten Hundefreund mit den Informationen, die er für seine Entscheidungsfindung braucht oder unbedingt lesen möchte, falls er sich für einen RR entschieden hat ...

Der Standard

Der Rassestandard des RR ist - wie jeder andere auch - die Beschreibung eines Idealbildes. Er beschreibt nicht, was real ist, sondern ist Ausdruck menschlichen Wunschdenkens. An bestimmten Rassen interessierte Menschen klammern sich geradezu sklavisch an den Standard und die daraus abgeleitete Rassebeschreibung, um herauszufinden, ob dieser Hund für sie geeignet ist oder nicht. Vergessen wird dabei vollkommen, dass nicht nur das Äüßere der Hunde einer Rasse variiert, sondern auch die Reaktionsnorm des Verhaltens. Es herrscht die Meinung vor, dass man sich mehr um Körperbautyp und Farbe Gedanken machen sollte als um Verhalten. Schließlich wird der Hund mit seiner Farbe geboren, sein Verhalten ist noch ein "weißes Blatt", welches nach Belieben beschrieben werden kann. Und so erleben wir erschreckt, dass sich Interessenten für diese Rasse RR alleine aufgrund des Äußeren entscheiden und glauben, durch eine "richtige " Erziehung den passenden Hund formen zu können. Viele Interessenten dieser Rasse lesen die Wesenseigenschaften und finden, dass dieser Hund zu ihnen passt: Eine hohe Reizschwelle,  zurückhaltend, würdevoll, ohne Scheu und Aggression. Dieses aber ist eine Beschreibung des Rhodesians, wie er sein sollte - und nicht, wie er ist. Das ist ein großer Unteschied, der z.T. sicher die rasant ansteigende Zahl der wieder abgegebenen Rhodesians erklärt. Im Detail nachzulesen ist der FCI-Standard Nr. 146 des RR  auf der Website www.rhodesian-ridgeback.org.
Der Ridge gilt als unverwechselbares Rassekennzeichen. Allerdings ist er nicht ausschließlich auf den Rhodesian Ridgeback beschränkt. In Asien sind ebenfalls Hunde mit einem Ridge zu finden; europäische Quellen beschreiben diesee Hunde der Insel Phu Quoc im Golf von Thailand erstmals zu Ende des 19. Jahrhunderts hin.

Eine Menge Hund

Legt man die rosarote Fan-Brille ab, so fallen bereits beim Lesen der Rassebeschreibung einige Ungereimtheiten auf.  Alle RRs werden in eine Kiste gepackt, auf der fein säuberlich ettikettiert steht: Typisch Rhodesian! Sensibel,  erhaben, hohe Reizschwelle, wildtierartige Instinkte, mutig, schnell,  intelligent, der 6. Sinn für Gefahr, lange Entwicklungszeit. Aber: Sensibilität  oder Sensitivität und "hohe Reizschwelle" schließen einander aus. Sensibilität bedeutet, dass der Hund auf geringe Veränderungen seines Umfeldes reagiert. Gerade bei plötzlich auftretenden Reizen zeigen viele Rhodesians, was es mit der Ursprünglichkeit auf sich hat: Niedrige Reizschwellen und blitzschnelle Reaktionen, für die die Schrecksekunde des Menschen eindeutig zu lang ist. Viele RRs haben eine ausgesprochen große Wahrnehmungsdistanz. Das bedeutet, sie reagieren auf Reize wie Bewegungen, Geruch und Geräusch bereits in großer Distanz. Haben Hund und Mensch den Überblick, dann können die meisten Hunde ihre Reaktion auf die Wahrnehmung kontrollieren, die langsame Annäherung hilft ihnen dabei. Erscheint aber in unübersichtlichem Gelände ein Reiz inmitten der Wahrnehmungsdistanz, so zeigen manche RRs, wie impulsiv und blitzschnell sie sein können.  Mut ist nichts anderes als die Bereitschaft, Konflikte auszutragen. Wobei der mutige Hund erst einmal seine eigenen Konflikte austrägt.. Interessanterweise hoffen viele Hundebesitzer, dass ihr Hund erst dann mutig wird, wenn es aus Menschen-Sicht angebracht ist. Diese Sicht aber kann kein Hund teilen, auch kein Rhodesian. Das bedeutet, dass er in erster Linie auf Konflikte in der Hundewelt eingeht.

Innerartliches Verhalten

Provokationen anderer Hunde werden angenommen, auf schmalen Wegen weicht er einem fremden Menschen nicht unbedingt aus, sondern nimmt den Konflikt um Individualdistanz an und löst ihn entsprechend. Diese Konfliktbereitschaft macht sich besonders beim Umgang mit gleichgeschlechtlichen Artgenossen bemerkbar. Der harmoniebedürtige Hundehalter von heute stellt sich vor, dass er seinen Welpen nur regelmäßig zu Welpenspielgruppen bringen muss, und dadurch würde ein Hund auch als erwachsenes Tier "verträglich" sein. Zum normalen Verhaltensrepertoire des Hundes gehört aber auch die Ablehnung familienfremder Hunde. Je nach Zuchtziel und züchterischer Selektion kann diese Ablehnung stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Wer sich für einen RR entscheiden möchte, sollte sich unbedingt darauf einstellen, dass die Führung des Hundes in Anwesenheit fremder, gleichgeschlechtlicher Hunde viele Jahre eine Herausforderung bleiben wird. Das lässt gewisse Rückschlüsse darauf zu, dass bei der Selektion der Zuchttiere noch einiges zu verbessern ist !
Immer wieder wird auf die Vergangenheit der Rasse hingewiesen und auf den enormen, harten Selektionsdruck durch Klima, Krankheiten, wehrhaftes Wild und wenig zimperliche Menschen. Die Hunde aber, mit denen wir heute leben, unterliegen einer anderen Selektion, die viel bedeutsamer ist:  Ausstellungen und Zuchtzulassungsprüfungen, das sind heute die Gefahren, die darüber entscheiden, welcher Hund sich fortpflanzen darf und welcher nicht. Es ist fraglich, inwieweit die Zuchtzulassung tatsächlich ein besonderes Augenmerk auf die Faktoren richten, die für das Zusammenleben von Hund und Mensch im dicht besiedelten Mitteleuropa von Bedeutung sind.

Über aufgeschlossene und zurückhaltende Ridgebacks

Innerhalb jeder Rasse findet man ein Kontinuum, welches von sehr scheuen bis zu sehr aufgeschlossenen Tieren reicht.  Auch bei den RRs finden wir dieses Kontinuum, so dass man nicht von  "dem" Rhodesian Ridgeback sprechen kann. Und genau deshalb sollte man sich viele verschiedene Hunde  unter verschiedenen Bedingungen anschauen, um eine Entscheidung treffen zu können. Die Aufgeschlossenen verkraften schlechte Erfahrungen, erholen sich nach solchen schnell und sind nicht besonders stressanfällig.  Das sind die Hunde, die einen für diese Rasse begeistern können. Die scheueren Verteter haben ein Elefantengedächtnis! Sie reagieren empfindlich auf Veränderungen innerhalb des Hauses, der umgekippte Eimer auf der Wiese lässt den Spaziergang ganz anders verlaufen als geplant.  Der Hund is nicht dazu zu bewegen, einen Weg entlang zu laufen, an dem er vor langer Zeit gegen einen elektrisch geladenen Weidezaun gelaufen ist. Negative Ereignisse werden sehr schnell mit dem Umfeld verknüpft, und der Hund braucht lange, um sich davon zu erholen. Weder hoher Welpenpreis noch schön ausformulierte Rasseportraits hebeln die Grundlagen der Plastizität von Verhalten aus. Wer sich für einen Rhodesian entscheidet, weil er der Kombination aus athletischem Muskelpaket , löwenjagender Vergangenheit und ansprechender Rassebeschreibung nicht widerstehen kann, sollte sich auf "Enttäuschungen" einstellen. Der zukünfige Begleiter kann sich trotz aller  Bemühungen zu einem Hund entwickeln,  der mit überaus deutlicher Körpersprache einen großen Bogen um Gegenstände macht, die gestern noch nicht an dieser Stelle lagen.
Auf die sprichwörtliche Erhabenheit und nachgesagte "Arroganz" muss man bei dieser Rasse mindestens drei Jahre warten können, und so mancher Rhodesianbesitzer hat das ganze Hundeleben vergeblich gewartet.

Spätreife Rasse

Spätreif, das klingt gut. Spätreif, das bedeutet, dass der Hund sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Spätreife Hunde überrachen ihren Besitzer bis zum 3. Lebesjahr mit neuen Reaktionen auf altbekannte Situationen. Wegen dieser Spätreife bedarf auch ein bereits ausgewachsener Rhodesian der sorgfältigen Führung. Damit ist nicht die Führung im Sinne eines Leitwolfes gemeint, sondern eher Führung im Sinne eines Fremdenführers. Wir geleiten unseren Hund durch eine Welt, an die er nut schlecht angepasst ist. Diese schlechte Passung hat Felentscheidungen  des Hundes zur Folge, was dann als "unerwünschtes Verhalten" bezeichnet wird. In unserer Gesellschaft gibt es nicht besonders viel Spielraum für unpassende Entscheidungen eines Hundes. Der RR ist ein großer Hund, der durch seine Farbe, kurzes Fell und auffallende Bemuskelung nicht in Genuss des Plüschtierbonus kommt. Ein Jogger, der von einem RR ausgebremst und gestellt wird, hat allen Grund zu Schreck und Empörung. Unpassendes Verhalten von Anfang an vermeiden ist die sicherste Strategie für den menschlichen Begleiter eines RRs - und zwar während der gesamten Reifezeit! Spätreif ... vielleicht klingt das doch nicht so gut, denn es bedeutet eine lange Zeit der Aufmerksamkeit und der Geduld. Die jagdlichen Facetten des Verhaltens erscheinen bei Rhodesians recht spät. So mancher Halter klopfte sich schon selbst auf die Schulter, weil sein junger Hund nur hinter Wild herschaute, drei Monate später stand er dann alleine im Wald - das Jagdverhalten des Hundes reifte spät.

Wer passt zum Ridgeback ?


Mit einem RR zu leben bedeutet, die ersten drei Lebensjahre des Hundes sein Verhalten in Bezug auf fremde Menschen, fremde Hunde und Wild zu beobachten und ruhig in passende Bahnen zu lenken.
Viel Arbeit an der langen Leine  ist nötig, zuviel Freiraum bietet zu viel Möglichkeiten für unpassendes Verhalten. Interessant sind Diskussionen, für welchen Menschen "der" Rhodesian Ridgeback geeignet ist. Dabei werden die Menschen kurz und knapp in zwei Kategorien eingeteilt: Ersthundbesitzer, sog. Anfänger und Erfahrene oder Fortgeschrittene. Mit dieser Zweiteilung kommt man aber nicht zu einer hilfreichen Aussage, weil es gerade die unwichtigen Aspekte menschlicher Persönlichkeit betont. Ein Hund wird sich nur dort wohlfühlen, wo die Menschen zufrieden mit ihm sind. Wer Freude daran hat, über einen langen Zeitraum Entwicklungshilfe zu leisten, einen Hund wohlwollend und gelassen zu führen, anstatt ihn mal schnell zu unterdrücken, der wird auch die Eigenschaften eines RRs als Bereicherung für sein Leben empfinden. Wer sein Leben durch eine pflegeleichte, elegante Erscheinung bereichern möchte, die ansonsten aber nicht unangenehm auffallen sollte, wer sich durch seinen Alltag bereits überfordert fühlt und einen lebendigen Ausgleich dazu sucht, der sollte bitte Abstand vom Rhodesian Ridgeback nehmen. Und ganz besonders sollten diejenigen verzichten, die ausgesprochen harmoniebedürfig sind und es nicht ertragen könnten, dass ihr Hund nicht jegden anderen Hund mag. Enttäuschungen für beide Seiten sind vorprogrammert. Hundehalter im Allgemeinen, und Menschen für einen RR im Besonderen, sollten einfühlsam sein, weil dies Hunde nach wie vor Fremde in der modernen Menschenwelt sind. Sie sollten sehr geduldig sein, weil Lernen viel  Zeit braucht. Und sie sollten gerecht sein, weil jeder Hund das Produkt aus Genetik,  Erfahrung und Umwelt ist - nichts davon hat er sich selbst ausgesucht!  Menschen mit diesen Eigenschaften finden sich sowohl unter den Ersthundebesitzern als auch unter den sog. Erfahrenen.


 

 
 

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